„Wenn ich eine Beziehung herstellen kann, die auf meiner Seite so charakterisiert ist:
Authentizität und Transparenz, ich zeige mich in meinen wirklichen Gefühlen;
warmes Akzeptieren und Schätzen des anderen als eigenständiges Individuum;
Einfühlung, die Fähigkeit, den anderen und seine Welt mit seinen Augen zu sehen;
dann wird der andere in dieser Beziehung:
Aspekte seines Selbst, die er bislang unterdrückt hat, erfahren und verstehen;
finden, daß er stärker integriert ist und eher in der Lage sein, effektiv zu agieren;
dem Menschen, der er sein möchte, ähnlicher werden;
mehr Selbständigkeit und Selbstbewußtsein zeigen;
mehr Persönlichkeit werden, einzigartiger und fähiger zum Selbstausdruck;
verständiger, annahmebereiter gegenüber anderen sein;
angemessener und leichter mit den Problemen des Lebens fertig werden können.“
Carl R. Rogers
Dies ist der zweite Beitrag unserer wöchentlichen Reihe von Zitaten und Aphorismen zu den Themen Klientenzentrierte Gesprächstherapie und Beratung, Personzentrierter Ansatz, Psychotherapie, Psychohygiene, psychische Gesundheit, persönliche Entwicklung und überhaupt das „gute Leben“ allgemein.
Dieses Zitat stammt ebenfalls von Carl R. Rogers, dem Begründer des Klientenzentrierten bzw. Personzentrierten Ansatzes in der Psychotherapie. Es ist seinem Buch „Entwicklung der Persönlichkeit“ entnommen und fasst unserer Meinung nach seine grundlegende Haltung und sein therapeutisches Denken in einer sehr treffenden Sprache zusammen.
Im ersten Teil des Zitats geht Rogers auf die drei sogenannten „Kernvariablen“ seiner Therapietheorie ein: persönliche Echtheit, unbedingte positive Wertschätzung und empathisches Verständnis. Wenn der Therapeut diese drei Haltungen zu einem Menschen in psychischer Bedrängnis (dem Klienten) aufbaut, dann ist dieser in der Lage, eine positive Entwicklungsrichtung einzuschlagen. Dadurch kommt es zu psychischer Heilung.
Wie diese positive Entwicklung aussieht, wie also der Prozess der Gesprächstherapie aussieht, beschreibt Rogers im zweiten Teil des Zitats. Es handelt sich dabei um ein ganzheitliches Verständnis menschlichen Wachstums und persönlicher Entwicklung – es geht um die ganze Person, nicht nur um einen Teilbereich seiner Probleme. Die Therapie erfolgt also nicht nur auf der Symptomebene. Vielmehr geht es darum, dass sich der ganze Mensch in Richtung tieferes Selbstverstehen, mehr innere Klarheit und selbstbewusster Individuation entwickelt. Dadurch wird es möglich, mit den Problemen und Herausforderungen des Lebens als Ganzes besser umzugehen –frei nach dem Motto: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Literatur:
Rogers, C.R. (1961/2009). Entwicklung der Persönlichkeit. Psychotherapie aus der Sicht eines Therapeuten. Stuttgart: Clett-Kotta. S. 53.